ZKB Förderpreis 2018

«Mining Stories» von Silke Huysmans & Hannes Dereere (Brasilien, Belgien)

Begründung der Jury
«What would the world be like, if we were speaking powerfully to people who are listening consciously in enviroments, which were actually fit for purpose?» Diese Frage steht am Ende von «Mining Stories» buchstäblich im Raum. Silke Huysmans und Hannes Dereere gelingt genau dies auf eindrucksvolle Weise, und sie beweisen, dass Theater dieser Forderung nachkommen kann. Sie widmen sich in ihrer ersten Bühnenproduktion äusserst respektvoll und bestimmt dem 2015 ereigneten Staudammbruch einer Eisenerzmine im brasilianischen Minas Gerais. Dabei setzt das belgische Künstlerduo im vollen Bewusstsein unserer visuell orientierten Repräsentationskultur auf eine eindrucksvoll vielschichtige, aber dennoch simple Inszenierungsstrategie, in der die Stimme den Bildern vorgezogen wird. Sie generieren so einen offenen Raum, in dem die Zuschauenden sich jeweils individuell mit der vermeidbaren Umweltkatastrophe in Beziehung setzen und eigene Schlüsse ziehen können. Silke Huysmans Aktionen auf der Bühne dienen dabei konsequent der Plattform, die auf gleichmässig platzierten und angeordneten Screens unterschiedlichsten, relevanten Positionen eine Stimme gibt. Die Aussagen der interviewten Personen (Opfer, ExpertInnen, PolitikerInnen) sind gleichberechtigt und gleichgestellt und werden nie aus- oder blossgestellt. Durch die Konsequenz dieses Vorgehens eigenen sich Silke Huysmans und Hannes Dereere die Geschichten der Opfer nicht an und vermeiden so die Falle von herkömmlichem dokumentarischem Theater. Vielmehr machen sie die beängstigende Vernetzung von persönlichen, unternehmerischen und umweltpolitischen Interessen sichtbar. In «Mining Stories» wird beispielhaft aufgezeigt, dass es keine einzigartige Historiografie gibt, sondern immer multiple Perspektiven und Realitäten. Huysmans und Dereere komponieren eine performative Geschichtsschreibung mit einem ehrlichen ethischen Statement in Bezug auf umweltpolitische Themen und Probleme.

Einstimmig entschied die Jury, diese Arbeit von Silke Huysmans und Hannes Dereere mit diesem Preis zu fördern und damit auch den Mut zum realen Experimentieren und möglichen Scheitern. Denn gerade in einem wirtschaftlich orientierten Klima der Effizienz ist es wichtig, dass bei der privaten und öffentlichen Kulturförderung Künstlerinnen und Künstlern Zeit, Raum und Geld zur Verfügung gestellt wird, ohne unmittelbare Ergebnisse zu erwarten.

 

ZKB Anerkennungspreis 2018

«The Architects» von Youness Atbane & Youness Aboulakoul (Marokko)

Begründung der Jury
«Me, personally, I was convinced about this collaboration because Youness is one of the most famous artists in Morocco and North Africa.»» Mit diesem Satz fängt die äusserst intelligente und gewitzte Performance des marokkanischen Künstlerduos Youness Atbane & Youness Aboulakoul an. Von Beginn an entlarven sie in «The Architects» auf lustvolle Weise, wie Repräsentationsformate, Kunstausstellungen und Kunstmärkte funktionieren. Geschickt kritisieren die Performer kritisieren das kapitalistische System, indem sie mit dem Gegensatz von Menschsein und Objekt spielen. Innerhalb dieser aufs Genauste choreografierten Struktur machen sich Youness Atbane und Youness Aboulakoul im doppelten Sinne des Wortes zum Gegenstand ihrer Arbeit – sie sind Subjekt und Objekt zugleich und hinterfragen so die Beziehung von Objekt und Kunst. Mit diesem Spiel verkehren sie so kundig wie gekonnt institutionelle (Kunst-)Systeme und verleihen ihrer Arbeit einen kosmopolitischen Charakter.

In die «The Architects» wird auf sehr kohärente Weise der kulturelle Hintergrund und der künstlerische Werdegang beider Performer zu einer multidisziplinären Arbeit verwoben, welche die Neugierde auf weitere zukünftige Performances weckt.